Tagebuch eines Regimegegners

"Tagebuch eines Regimegegners" wird mutmaßlich die erste "vollwertige" Buchveröffentlichung von Bdolf.... Wenn das Schicksal es gut meint wird damit im Frühjahr 2001 zu rechnen sein- Lautsprecherverlag Freiburg, ISBN 3-932902-19-X.

Um das quälende Warten abzukürzen, hier ein paar Textauszüge:



EXISTENTIALISTENFICKEN IM "DACHSBAU"
(ein Schwank aus einem Land vor unserer Zeit)

Heimlich hatten sie sich ihre Krawatten ausgezogen. In der Toilette Unterführung Erwinplatz schlüpften sie aus den drögen grauen Wollpullis und tauschten sie gegen die tödlich angesagten schwarzen. Sie grinsten sich an. Es konnte losgehen. Triumphierend zog Manni einen "Sauren"-Flachmann aus der Sackotasche. Natürlich trugen sie heute zur Feier des Tages auch als Oberbekleidung die starken Schwarzen. Ihre Strategie hatte den elterlichen Widerstand heuer nur sehr verhalten ausfallen lassen, der Programmpunkt "Kinder, geht ihr denn zu einer Beerdigung? Sooo geht das doch nicht....!" hatte dadurch eingespart werden können, der Rest obligatorischer stark verspäteter Erziehungsbemühungen war lau, ja fast kraftlos abgearbeitet worden. Manni war der wildere, er hatte ja mit seiner Musik schon etwas Geld verdient, bei ihm stieß die elterliche Autorität entsprechend der faktischen Kraft der teilweisen monetären Selbständigkeit bereits größtenteils ins Leere, auch hatte er einen verschwiegenen Hausarzt, der gegen eine kleine Zuwendung, wobei ihm gelegentlich schon der Zauber der Musik genügte, auch er, obschon älter, ein großer Fan und regelmäßiger Gast der Lokalität, der sie im Augenblick zustrebten, mit medizinischer Unterstützung vor den erdbebenartigen Erschütterungen, die seine nicht seltenen venerischen Infektionen, die er hie und da von den Konzertreisen mit heim zu bringen pflegte, im Familienkreise auslösen würden, rettete. Kurz, in seinem Genre war er anerkannt und leistete Großes, dabei war er vor den Konsequenzen der "sexuellen Haltlosigkeit bei Angehörigen des Schausteller- gewerbes", wie ihm sein medizinischer Beistand einmal grinsend aus einem Handbuch für Arbeitsmedizin vorgelesen hatte, gefeit. Im Vorprogramm einer bekannten amerikanischen Band hatte er einmal mit den überseeischen Künstlern Marihuana geraucht, sein Herzschlag hatte sich dabei vor Aufregung sehr beschleunigt, ihm war schwummrig geworden und er mußte damals entsetzlich röcheln und Husten, nein, da hielt er es doch lieber mit einem Gläschen Obstwasser. Er war jung, wohlgelitten im Familienkreise, erfolgreich auf seinem Gebiet, war es auch "Negermusik", wie man es gerne abschätzig titulierte, so war man doch, auch wenn man es nie offen zugeben würde, auf ihn nicht wenig stolz. Rolfi dagegen stand deutlich mehr unter Kuratel und viele wesentliche Elemente ihres Lebensstils mußten unter strikter Geheimhaltung ausgeübt werden. Beim Verlassen der elterlichen Wohnung hatte er heute abend auch wieder "ausgesehen wie ein Vogel...", wie ihn Manni erbarmungslos gehänselt hatte. In der benannten Toilette am Erwinplatz mußte er deswegen erst einmal fit für den "Dachsbau" getrimmt werden. Manni haßte es, erst einmal im elterlichen Wohnzimmer sitzen zu müssen und den "Kleinen", wie er seinen Freund gerne neckte, mühsam loszueisen. Rolfis Eltern hatten sie eine nicht übermäßig raffinierte Schote von einer Diskussion bei der Evangelischen Jugend über das Für und Wider einer atomaren Aufrüstung der Bundesrepublik aufgetischt, aber Rolfi galt als politisch interessiert und engagiert, da zog so etwas schon halbwegs. Mann Gottes!- Er hatte schon mit echten Negern über Musik diskutiert, sie hatten Whiskey getrunken und im fahlen Dämmerschein der Künstlergarderobe hatte sich diese Negersängerin im Hintergrund umgezogen, es gab keine getrennten Künstlerumkleiden, schon gar nicht für Neger, und einen kurzen, aber magischen Moment hatte er aus dem Augenwinkel einen Blick auf ihre überaus üppigen, mit ungemein prallen Nippeln gesegneten Brüste erhaschen können, und da saß es im Gelsenkirchenerbarockwohnzimmer von Rolfis Eltern und mußte dem strengen Herrn Vater und der verbitterten Frau Mutter irgendeinen Schwachsinn über die beschissene doofe Evangelische Jugend und ihr deppertes Gelalle vorseiern. Egal, Rolfi war sein Freund und was sein mußte, mußte sein. Die Frühlingsluft umfing sie beim Verlassen der Toilette, sie konnten sich blicken lassen, seinem kritischen Blick fiel nichts zu Beanstandendes auf. Die Themen ihrer Lieblingslieder vor sich hin summend zogen sie durch das frühabendliche Bobbeleloch, diskret nippten sie an ihren Flachmännern, hie und da bekannte Gesichter grüßend. Dumm, aber in so einem Kaff wie Bobbeleloch, trotz der hybrismäßig anmutenden Bezeichnung "Großstadt" lief man sich dauernd über den Weg, konnte sich keiner gehen lassen, alle Vorkommnisse wurden durch die allgemeine Hobbygestapo getreulich berichtet. Hier hatten die Wände Augen und Ohren, leider nicht für die bediente Mucke, die totale Schaffe, die absolute Sause. Sie pfiffen Bud Powell-Phrasen und grinsten sich eins. Dank der prickelnden Vorfreude erschien ihnen der Weg nur kurz. Schon aus einiger Entfernung hörten sie die aufpeitschenden Traditional- Jazz- Rhythmen. Mit sicherem Expertenwissen identifizierte Manni "When the Saints go marching in". Rolfi tat sich mit Musikalität immer ein bißchen schwer, sein Freund tröstete sich damit, daß er eben mehr die Kleidung, die Einstellung und so teilte. Oft versuchte Rolfi Melodien mitzusummen und scheiterte für gewöhnlich. Trotzdem war er ein dicker Kumpel, gab es keine Diskussion, nein nein. Sie tauchten in den dichten Tabaknebel. Die Musik war jetzt ungedämpft, kam hart, alle Sinne elektrisierend. Sie entrichteten den bescheidenen Obulus für den Getränkebon. Gegenwert für eine Cola oder Bluna. Für Freunde des Hauses wurde auch schon mal ein Gläschen unter der Hand ausgeschenkt, offiziell war das ein Jugendlokal, also Alkoholverbot. Das junge Mädchen an der Kasse kramte umständlich nach dem Wechselgeld und dem Eintrittsstempel. Bei jeder Bewegung schwang ihr enormer Pferdeschwanz hin und her. Die Braut war ihnen bis dato unbekannt. Aber ganz gewiß ein vielversprechendes Vögelchen. Diskret musterten Ralf und Manni die "Neue". Sie trug einen schwarzen Pulli unter dem sich nicht eben verstohlen üppiges Gerät abzeichnete. Unten 'rum steckte sie in einer total hautengen Blue Jeans, den beiden Freunden stieg sogleich die Temperatur. "Steiler Zahn, wa?" zischelte Manni diskret in des Freundes Ohr. Rolfi errötete pflichtschuldigst. Insgeheim amüsierte sich Manni über die unbeholfene Art von seinem Kumpel. Ihm war klar, er mußte ihm mal das Wörterbuch des Cool einbimmsen, er seufzte, es führte kein Weg daran vorbei. Hatte sie etwas gehört? Sie grinste frech! Starkes Weib, das! Manni strahlte sie mit seinem sehr direkten Charme an. "Bis später, alter Stecher!" rief sie ihm hinterher, sie drängelten sich durch den engen Einlaß und steuerten in den eigentlichen Konzertraum Auf der improvisierten Bühne ging wahrhaftig die Post ab! Kurt Lehmann spielte seine virtuosen Banjo-Soli, Hermann Waivbieter wartete den einen oder anderen Chorus ab und deckelte mit seiner Zugposaune über den fulminanten Rhythmus, die Session erreichte schon Fiebertemperaturen, nach jeder Nummer konnte das Kommando "Krawatten lockern!" kommen, was anzeigte, daß es auf die nackte Ekstase zuging. Langsam füllte sich die Tanzfläche vor der wackligen Bühne. Einige Paare tanzten eng oder locker, junge Männer standen herum, hielten sich an ihrer Cola fest und schielten unauffällig nach den Mädels, die meisten hier trugen Hosen und hatten deswegen sicher massive familiäre Probleme, sicher war die Toilette am Erwinplatz nicht die einzige zweckentfremdete Umkleidekabine, einzelne Frauen sah man praktisch nicht, das wenigste waren jeweils ein paar Freundinnen, mußte man sie halt zum Tanzen loseisen, war peinlich, nicht jedermanns Sache, klar, die Stimmung war bedient, gab ja noch die sich schwer schaffende Mucke. Ein Typ, hatte wohl einiges intus, ließ die Krawatte im Rhythmus schwingen, hatte sie gepackt und schüttelte sie im Takt, sah irgendwie aus wie bei der,- horribile dictu!- Selbstbefleckung, klar, hier gingen wohl die meisten noch zur Beichte und genügten ihrer Sonntagspflicht, nur wenige Typen hatten ihre eigene Bude, malochten schon und waren nur selten bei Mamma zum Kaffee, oder studierten, aber die standen eh unter Kuratel, Frau Wirtin und so, nicht die aus den schweinischen Versen, sondern die, die darauf achtete, daß die Hände über der Bettdecke blieben, auf jeden Fall waren die älteren, unabhängigen die Kings und die wenigen, die hier aufkreuzten, gaben amtlich den Ton an. Manni hatte es da gut, er wohnte zwar im elterlichen Heim, durch sein intensives, phonstarkes Üben war jedoch früh eindeutig gewesen, ihm ein Zimmer weitab von den restlichen Aktivitäten der Familie zuzuweisen, so war er in einem anheimelnden Winkel hinter der Werkstatt gelandet, hatte meist seine Ruhe, der eine oder andere Zahn hatte auch schon bei im übernachtet, jawoll mein Herr!, was die Phantasie sogar seiner engsten Freunde zu übersteigen drohte, bei ihm konnte man bei Kerzenlicht die schärfsten Scheiben hören, Whyskey trinken, oder Rotwein mit Cola, und später konnten die Hände frech auf große Fahrt gehen, große Klasse, das! Ihre Tanzlaune hielt sich noch in Grenzen, Manni mußte sich auch erst in Ruhe einen Eindruck vom Stand der Konkurrenz machen, der Pianist der Lehmann-Band, Stiefbruder des Banjovirtuosen, war allerdings eine arge Nulpe, ärgerlich registrierte er seinen Eindruck, der Typ hinter dem schlecht gestimmten Klavier müsse erst seine Finger sortieren, es blieb meist bei dumpfen den Beat vorgebenden Akkorden, nicht sehr raffiniert gespielt, nee, Gershwin war das sicher nicht. Rolfi geierte natürlich nach den steilen Zähnen, aber er würde ja doch keine Traute haben, hähähä, der junge Jazzer griente schadenfroh. Genauso schadenfroh kicherten sie vor sich hin, als sie sich die Colas unterm Tisch mit dem Inhalt von ein paar Flachmännern würzten. Die Stimmung war bestens und stieg, keine Frage, Kumpel! Die Lehmann-Combo gab den Löffel ab und Manni wurde hellhörig. Es begann interessant zu werden. "Es bobbt!" schoß ihm durch den Kopf. Ein ungeheuer ausgezehrt wirkender Bursche blies ein wahnsinniges Horn. Wie geölt perlten die Be-Bob-Läufe aus der Kanne, das hatte er so in Bobbeleoch noch nie gehört, kannte er nur von diesen Festivals her, wo so Amis auftraten, dazu noch Neger, harte Burschen, asozial, ein wenig, aber drauf' hatten sie es nun einmal, führte kein Weg dran vorbei. Den Burschen sollte er sich vielleicht für seine eigene Truppe angeln, das könnte eine ziemliche Schaffe werden.... Diskret erkundigte er sich am Tresen nach den näheren Umständen. Der Typ war wohl noch nicht lange in der Stadt, gab wohl vor, irgendwas zu studieren, durch Druck hierher verschlagen, in irgendeiner Großstadt wegen allem möglichen nicht zum Büffeln gekommen, und jetzt hier, sozusagen zur Sühne. An ihn würde er sich wohl mal 'ranbaggern müssen, keine Frage. Er schloß die Augen und ließ sich fallen. Der Rest von den Jungens auf der Bühne konnte allerdings nicht mithalten. Manni fluchte innerlich. Waren diese Pfeifenköpfe auf dem Dampfer das Ganze für einen verdammten Skiffleabend zu halten? Für ihn klang das alles nach Schrubben auf Waschbrettern oder Topfschlagen. Ab und an blickte der Typ sich nach seinen Mitspielern um und seine Augen sprühten Giftpfeile. Klar, der merkte das selbst in was für einen Gurkentrupp er geraten war. In ein besonders apartes Solo platzte ein furchtbar verkorkster Wirbel des Schlagzeugs. Völlig außer Takt, dazu klang es wie ein einstürzendes Blechklohäuschen. Der Typ setzte seine Kanne ab und ging von der Bühne. Der olle Waivbieter von der Lehmann-Kapelle witterte seine Chance und enterte nach einigen Schamminuten die Bühne und stieg statt des ausgezehrten Typen ein. Als sei nichts geschehen muckten die Pfeifenköpfe weiter! Starkes Stück. Flaschen! Sein Saxophon in der Hand tapperte der Mann durch den Saal, nestelte in eine Ecke, pfriemelte hektisch den Sabber aus den Horn und klappte den Instrumentenkoffer zu. Seinen Trenchcoat in der Hand stakste er nach draußen. Manni entschuldigte sich für einen Moment bei Rolfi und stürzte dem Typen hinterher. Vor dem "Dachsbau" drehte der Mensch ärgerliche Runden, dazu zog er an Zigaretten aus einer blauen Packung. Sein Blick war absolut genervt. Manni stellte sich vor. Der Saxophonist fluchte auf Bobbeleloch. "Tote Szene hier, Mann!" Der junge Jazzer konnte nur bedingt widersprechen. Sein Gegenüber war achtlos bis desinteressiert. Erst bei der Erwähnung der Tatsache das sie für gewöhnlich bezahlte Mucken ablieferten wurde der Kauz hellhörig. Deswegen stieg Manni auch nur selten hier bei den Sessions im "Dachsbau" ein. Über das Stadium war es hinaus. Wäre ein totes Rennen gewesen. Er wußte, das er zu den Besseren in dieser Stadt zählte. Natürlich hatte der Saxophonist schon von ihm gehört. Sie diskutierten einen Probentermin. Bemüht kritzelte er ihm ein paar Titel die sie 'draufhatten auf einen Schmierzettel. Er glaubte die Versicherung seines neuen Bekannten, überall einsteigen zu können. Wenn er etwas glaubte, dann das Der potentielle neue Mitstreiter hatte keine Lust mehr. Knapp grüßend verschwand er in der Nacht. Manni wandte sich zurück in das Lokal. Die Eintrittsfrau packte gerade zusammen. "Na, Stecher, auch unterwegs?" krähte sie ihn fröhlich an. Elektrisiert hielt er inne. "Für dich aber immer...!" "Na sowas- dann helf' mir mal mit dem blöden Krempel, Stecher!" Der freche Ton brachte eine Saite in ihm zu schwingen. Es wurde ihm prickelig. Körperlich aufwendige Arbeit war nun seine Sache nicht. Die Situation deutete jedoch auf Verheißungsvolles. Allein das verbotene Funkeln in den Augen dieser Musterbraut- er hätte schon für weniger getötet. Enthusiasmus vortäuschend packte er das kleine Tischchen auf dem die Kasse plaziert gewesen war. Dabei musterte er verstohlen das junge Mädchen. Mannometer! Der Vogel hatte seine Rundungen da, wo sie hingehörten! Der schware Pullover beulte sich paradiesversprechend. Sie hatte sehr gut sitzende Blue Jeans an, was der Stoff nachzeichnete ließ erfreulich wenig Raum für Phantasie.... und er stand ja auf Pferdeschwänze, "Aminietenhosen", auch wenn er sich gerne 'einen auf klassische Unterwäschereklamen 'runterholte. (Straps waren dabei kein Fehler; das war jedoch "eine ganz andere Schiene"- hatte nicht unbedingt mit so 'nem Vögelchen hier und heute zu tun...) Starke Belege! Die in den Feierabend entlassene Kassiererin schritt fröhlich kichernd vorneweg und er, versteckt mürrisch das blöde Möbel von Zeit zu Zeit auf dem Boden aufschlagen lassend, hinter her. Sie zog zielstrebig in eine Art Rumpelkammer, er wuchtete den blöden Plünnen in ein freies Eck. Sie verstaute ihre übrigen Utensilien auf einem roh gezimmerten Regal. Im Moment, als sie die Hände freihatte machte sie eine tangoartige Halbdrehung zu ihm hin. Sie grinste vieldeutig und hieb ihre Faust auf den Lichtschalter. Sie standen im Dunkel. Mit einem energischen Tasten ihres Arms fand er sich unmittelbar relokalisiert und er spürte ihren weiblich- warmen Atem näher kommen. Sofort hatte er Gänsehaut. Ein fleischig-üppiger, sehr entspannter, jedoch bestimmter Mund preßte sich auf seine prickelnden Lippen. Die Art wie sie seine Zunge sanft in seinen Mund einwandern ließ schickte ihm heiße Schauer sein Rückrad hinunter. In der Art des klassischen bedingten Reflexes richtete sich untenrum etwas bei ihm auf. Fast war ihm diese unmittelbare körperliche Reaktion ein wenig peinlich. Aber wie er diese Wahnsinnsfrau so nah spürte... ihr warmer Atem, ihr ungemein sinnlichen Bewegungen, diese Selbstverständlichkeit ihrer so direkten Berührungen, die so im eklatanten Gegensatz zu ihrem sehr jugendlichen Alter standen, so hätte es sich in seinen Selbstelphantasien vorgestellt, von einer reifen, sehr erfahrenen, fast aristokratischen reifen Damen zu Dingen, die IHR Wille, nicht seiner diktierte, herangezogen zu werden.... was in diesem Moment völlig gleichgültig war, er spürte diese Jazzfreundin, nun gut, sie hatte die Initiative in die Hand genommen, aber was ihm hier plötzlich widerfuhr stellte selbst die nackten Brüste einer echten Negerin in einer sparsamen Künstlerumkleide in den Schatten.... er gab sich auf und gab sich hin... Fast ungeschickt erwiderte er ihre Berührungen. Ihrer beider Hände begannen schnell über alle strategisch wichtigen Zonen zu wandern. Die Art wie die junge Kassiererin sein Gemächt knetete ließ keinen Zweifel daran, wohin die Reise gehen sollte. Ohne viel Federlesens zogen sie sich gegenseitig auf den Fußboden; die junge Dame war wohl mit seinen Entfesselungskünsten nicht ganz zufrieden, im Handumdrehen entledigte sie sich selbst ihrer Aminietenhosen und ihrer Unterwäsche. Mannis Finger versenkten sich in die verlockende Weiblichkeit. Er erkundete diese verbotenen Ländereien auf dem Kontinent Frau als die Tür knarzte. Ein Augenblick wie unter Starkstrom. Schritte trampelten herein, verlegenes Gekicher war zu hören. Wie aus Blödheit oder Versehen flammte das Licht auf. Ihre Köpfe ruckten herum. Das konnte doch nicht wirklich wahr sein! Rolfi stolperte in den Raum, einen steilen Zahn im Arm! Fummeltechnisch schon mit weit hochgeschobenem Pullover! Wo hatte der Penner diese offensichtlich sehr bediente Braut aufgetrieben? Das hätte er ihm ja nun doch nicht zugetraut... um so besser, kam er vielleicht mal auf den richtigen Kahn, der Schlappi.... anscheinend mußte man den Typen mal einen Augenblick allein lassen, dann ging die Post ab. Alle Wetter! Der Tante mußte man keinen Sack über den Kopf ziehen... die war fast so amtlich wie seine Tante hier! Die Situation reizte Manni zum Lachen. Rolfi riß die Augen auf, als er stierend bemerkte, wo er seine Finger gerade tanzen ließ. Verlegen kicherte der Jungstenz. Auch die Bräute grinsten sich nach einer Schrecksekunde wissend an. "Tscha- so trifft man sich wieder ...!- Und jetzt das gottverdammte Licht aus- aber schnell- VERDAMMT NOCH MAL!"



DER "HOPFENGOLD"- ARBEITSKREIS TRIFFT DIE "PERRY-RHODAN"-SINGLE


"Soon the UFOs will land and mankind will meet much stranger beings and habits....."
(Guru Guru, 1970)

Werktag. Ein normaler Schultag. Wie so oft hatte sich der "Hopfengold"-Arbeitskreis während der Großen Pause im Hebelpark, gegenüber dem "Markgräfler Gymnasium" konstituiert. Der Name dieses Arbeitskreises leitete sich vom -bedingt durch dessen wohlfeilen Preis- Lieblingsgetränk der Mitglieder dieses Gremiums ab. "Hopfengold" war das mit Abstand billigste Bier im Angebot des benachbarten "Edeka"-Marktes. Durch die geniale Paarung von Wirkung und Erschwinglichkeit dehnte sich Plauderei und Trinkvergnügen einmal mehr mühelos über die engen Grenzen der Großen Pause hinaus. Einmütig wurde der Rest des Schultages gekippt und mit launigen Scherzen und tiefenphilosophischen Betrachtungen statt mit den debilen Zumutungen des regulären Unterrichtsgeschehens verbracht. Das dichte Buschwerk des Parks garantierte eine konspirative Situation. Dreizehn Uhr. Man durfte sich wieder legal auf den Straßen aufhalten. Schon einige Zeit beklagte man im Arbeitskreis aufkeimende Hungergefühle. Einmütig wurde der Beschluß gefasst, einen Imbiß einzunehmen. Aus praktischen Erwägungen wie nicht zuletzt aus Kostengründen wurde dazu das nicht weit entfernte Elternhaus eines der Arbeitskreismitglieder ausgewählt. Sturmfrei. Brote wurden geschmiert und eingemümmelt. Aus Vadders Beständen genehmigte man sich ein paar schmackhafte "Riegeler"-Biere. Umbruchszeit. Das Jugendzimmer in der Metamorphose, noch Elemente aus Kinderzeiten, erste Schübe von Teenagertum. Noch Plastikflugzeugmodelle unter der Zimmerdecke, aber schon Matratzen auf dem Boden. Man flezte sich nach dem opulenten Mahl und suckelte entspannt an seinen Bierflaschen. Einer der Beteiligten, Hubert, fühlte sich durch die Flugzeugmodelle provoziert. Kreatürlicher Pazifismus. Er sprang auf, riß eines nach dem anderen herunter, trampelte darauf herum, schmiß sie durchs Zimmer, gröhlte dazu antimilitaristische Parolen und feuerte irgendwann die kläglichen Überreste durch die offene Balkontür hinaus in den Garten. Blumo, ein anderer führender Kopf des bierseligen Zirkels, wühlte unterdessen ungerührt in der Plattenkiste. Er hielt eine blaue Single in die Höhe und fragte kichernd "Wassndass?", dabei ungläubig mit dem Kopf schlenkernd. Der Gastgeber, leicht errötend, mußte die Auskunft erteilen, es handele sich um die Perry-Rhodan-Single, eingespielt von einem gewissen "Sherman Space". Ultimativ wurde von allen Anwesenden die Forderung erhoben, selbigen Tonträger umgehend anzuhören. Keine Ausflüchte halfen. Der alte Schrottplattenspieler mußte hervorgekramt werden und zur Verstärkung mit dem alten Röhrenradio, das als Monoanlage diente, verbunden werden. Normalerweise stand aus Kostengründen der Eingang des Radios dem "Telefunken"- Tonband zu, Tonband war erschwinglicher als Schallplatten. "Einer...einer mußte der erste sein... einer mußte der Mutigste sein.... Perry....Perry....Perry Rho-daaahnnnn .... unser Mann im All.....!" hallte es durch das Lausbubenzimmer. Die Rückseite der heißen Scheibe bildete eine Art avantgardistisches Hörspiel über die humoristischen Einfälle von Computern bei Raketenstarts, ein wegweisendes frühes Beispiel von Vocodereinsatz. Hubert kommenterte das Werk indem er über Tonträger und Abspielgerät Bier kippte. "Da- das is für Faschisdnnn....!" formulierte er einen ethischen Hintergrund für seine Attacke. Trotz des sauren Regens wollte man sogleich eine weitere Vorführung. Beim dritten oder vierten Mal riß Blumo die Scheibe herunter und schleuderte sie in den Pulk der verblieben "Airfix"- und "Revell"- Flugzeugmodelle unter der Zimmerdecke. Prompt regneten ein oder zwei auf Hubert, der sie entschlossen gegen die Wand klatschte. Die Schallplatte verharrte einen Moment in dem Gewirr aus Plastik und Nylonfäden, dann fiel sie auf den Boden. Blumo klaubte sie auf und warf sie Hubert zu. Der Gastgeber wurde in den Keller geschickt, Bier holen. Die ganze Zeit derbes Gepolter von oben. Als er wieder in das Zimmer kam, schmeckte es nach verbranntem Plastik Die verschmorte Schallplatte wurde wieder auf dem Plattenspieler plaziert, die gequälte Apparatur produzierte hässlich schnarrende und kratzende Geräusche. "Klingt doch schon viel besser!" wieherte man fast im Chor. Protestierend flog der Tonarm von dem sich drehenden unregelmäßigen Häufchen Kunststoff. Blumo hielt sein Feuerzeug an die Überreste und schmiß das kokelnde Etwas aus der Balkontür. Hubert nöhlte "Faschisdnn brauchen Waffnn!" und rupfte einen weiteren Packen Plastikflugzeuge von der Decke. Nach einigen entschlossenen Mißhandlungen flogen sie hinterher. Ein gegröhltes "Sieg! Sieg über die Faschisdnnn...!" begleitete den Abgang. Man kicherte. Der Gastgeber erhielt die Order, der Sieg über den faschistischen Gegner sei gebührend zu feiern und daher weiteres Bier vonnöten. Er trollte sich erneut in den Keller. Von oben kam die ganze Zeit Gepolter und Gelächter.



WHEN THE SAINTS GO MARCHIN' IN


"We didn't start the fire..."
(aus einem Popsong)

Heimelige Schwärze umfing sie. Wie durch fernen Nebel echoten aufpeitschende Traditonal-Jazz-Rhythmen im Hintergrund. Die vorwärtstreibenden Läufe und Akkorde der Banjos setzten sich durch die halbmassiven Wände kaum durch, aber immer wieder brillierten Klarinetten-Soli in gut vernehmlicher Manier. Die wahre Musik schaffte sich aber in diesem stickigen Lagerraum. Man hörte kaum unterdrücktes Stöhnen und rhythmisches Keuchen. Rolfi, so schon kein guter Sportler, rang hörbar nach Luft. Manni, der erfahrenere, suchte nach seinem eigenen Tempo und nach dem reizvollsten Takt für seine im musikalischen Zeitmaß ausgeführten Beckenstöße. Die beiden jungen Frauen, von denen sie kaum die Vornamen wußten, in Mannis Fall sogar nicht mal diesen, und umgekehrt, schienen dagegen höchstens unter der Last ihrer jungen Galane, beides ausgewachsene Brocken, obschon auf Grund der bloßen Jugend natürlich noch weit von den physischen Lasten späterbiographischen habituellen Biergenusses entfernt, zu stöhnen, außer dem Ehrgeiz, die fast rituell anmutende Begattung,- so wahrscheinlich der Eindruck, hätte sich die fast körperlich faßbare Schwärze dieses Raumes entfernen lassen, schienen sie wenig an den Freuden des Beilagers zu empfinden. Ungalant vollzogen die jungen Stenze dieses auch nach der traditionellsten aller möglichen Vorgaben und nutzten nicht die Chance, durch kavalliersgerechte Wahl der Position den Vorgang erfreulicher zu gestalten. Eine Weile rappelte und klapperte es vor sich hin bis Rolfi zwischen seinem halbkomatösen Gekeuche ein oberpeinliches: " Mein Gott! Ich kanns! Ich kanns!" entfuhr, daß unmittelbar in ein völlig unartikuliertes Grunzen und Schnauben überging. Manni fand das unangesagt. Zudem ließ sich ein deutlich vernehmbarer weiblicher Schmerzensausruf hinter dem brünstigen Lautäußern ausmachen. Es wurde still. Man hörte wie Nylons zurechtgezogen und Strumpfhaltergürtel gerichtet wurden. "Komm schon, gleich ist der Lehmann noch mal auf der Bühne! Keine Lust, den zu verpassen!" quengelte eine weibliche Stimme. Mein Gott, auf den bescheuerten Lehmann stand die Braut, war die taub? "Ja, Ja, schon gut, ich beeil' mich ja!", ritsch-ratsch saß eine Hose wieder an ihrem Platz. "Du,- irgendwann hab' ich sturmfrei und dann machen wirs in dem Kahn, in dem mich meine Alten gemacht haben, gell?" Das klang schon wieder versöhnlicher. Rolfi wieherte. "Tschüß, ihr Beiden- ihr habt ja Ausdauer...!"- Die Tür knallte zu. Manni war sehr gut in seinem Rhythmus. Die Kleine ging jetzt auch richtig mit. Er hatte noch lange nicht genug und war noch lange nicht fertig.



WENN DIE MUSIK SICH ÄNDERT...


"Wenn die Musik sich ändert zittern die Mauern der Stadt..."
(Plato)

Mit einer Veranstaltung hatte er hier und heute nicht gerechnet. Es sollte wohl so etwas ähnliches wie ein Konzert sein. War nicht sein Geschmack, er fand es reichlich unverschämt, so einen Krach ernsthaft als Musik verkaufen zu wollen. Wenigstens war es nicht teuer. Und er würde ein paar Bier für einen guten Zweck trinken. Förderung der Hausbesetzer und anderer Entrechteter und Enterbter. Er stakste die heuntergekommene Holztreppe zum sogenannten Budocenter hinauf, der Konzertraum des Schwarzwaldhofes, seit einiger Zeit erfolgreich besetzt, hieß so wegen der vormals dort ansässigen Judoschule. Die akustischen Manifestationen bereiteten ihm fast körperlich spürbare Schmerzen. Aber aus den Augenwinkeln hatte er ein paar ganz adrette Zähne erspäht. Die einschlägigen Lumpen über den aparten fraulichen Formen ekelten ihn zwar ganz gut an. Aber ein Busen war ein Busen ein Busen ein Busen ein Busen und was da unten aus den punkigen Miniröckchen 'rauslugte brachte doch eine sehr einschlägige Saite seines inneren Musikinstrumentes zum Schwingen. Auf der Bühne tobte eine Band, wenn man es einmal so nennen wollte. Die Mitwirkenden waren in aufgeschlitzte blaue Müllsäcke gehüllt und machten auf wild. Zwischen den einzelnen Stücken spielten sie das Südwestfunkzeitzeichen. Das erste Lied, das er von Anfang an mitbekam bestand aus einem eintönigen Riff, immer wieder wiederholt, ohne Modulation oder sonstige musiktechnische Finessen. Der Text gab ihm zu denken. " Ich hab' sie im Kaufhaus gekauft/ aufblasbar/ gefühlsecht/ aus Vinyl/ zu Haus' da blas ich sie auf/ ich hab' sie im Kaufhaus gekauft/ zu Haus da leg' ich mich 'drauf... " Der Sänger begleitete seinen Vortrag indem er eine obszön billige Aufblaspuppe hin und her schwenkte. Es handelte sich augenscheinlich um billigtste Provokation. Ein junger Punk mit der seltsamsten Frisur, die er bis jetzt gesehen hattte, so eine Art Sichelkamm, stürzte sich auf die Bühne, entriß die Puppe den Händen des, wenn man ihn so nennen wollte, Sängers, schmiß sie auf die rohen Bühnenbretter, legte sich auf sie und vollführte einige etwas zu demonstrativ ausgeführte sexualpantomimische Bewegungen. Nach einem halben Dutzend demonstrativer Beckenstöße zückte er ein Klappmesser und stach auf die Puppe ein. Seine Kumpanen johlten. Nachdenklich hielt er das "Rothaus"-Bier in seiner Hand umklammert. "Härter!", "Schneller!", " wir wollen richtigen Punk!" wurde geschrien, dazu immer wieder einschlägige Gruppennamen. "Sag mal, wie heißen die denn?" wandte er sich an eine günstig stehende Dame. Nicht ganz sein Fall, aber Zeit, die Fühler auszustrecken. Nicht das es ihn wirklich interessiert hätte. Aber er als Nichtraucher konnte schlecht nach Zigaretten fragen. Die Gute war etwas zu füllig, aber für einen bunten Abend sollte es gehen. Ziemlich scharfer, sehr kurzer Rock und die sommerlich schimmernden Beine machten ihm zu schaffen. "Das sind die blöden ‚Roaring Toilettes'!" erwiderte sie ihm knapp. Dankbar griff er den potentiellen Aufhänger auf. "Warum denn blöd?", er nahm einen knappen Schluck Bier, "ich mein', ich komm ja aus einer anderen Ecke, so mehr vom Jazz her, das ist ja ein wenig anderes....", er kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, sie fiel ihm ins Wort: " weil die gar nicht richtig Punk sind!". Er wollte sich erkundigen, was nun dieses Ensemble von richtigem Punk unterschied, er war da sozusagen ein völlig unbeschriebenes Blatt. Er hatte zwar mitbekommen, daß einer der Söhne von dem M., der der Bass spielte, auch mit so einer Combo 'rummachte, aber da hatte es wohl auch schon wieder Streit gegeben, nach einem Auftritt auf einem Schulfest im näheren Umland hatte man sich fast geprügelt, das Ende einer kurzen Zusammenarbeit. Das Südwestfunkzeitzeichen erklang und ging in ein rabiat gespieltes schnelleres Stück über, der anschwellende Lärmpegel vereitelte jedwede weitere Unterhaltung. Verstohlen musterte er das Objekt seiner Begierde. Nicht die beste Figur, aber für einen schnellen Bumms zwischendurch genau das Richtige, hatte man keine Probleme mit dem Abschieben, hinterher. Er fragte sich, ob die Punkerinnen sich wohl richtig und oft wuschen. Oder ob es da gewaltig nach Fisch roch. Störte ihn nach ein paar Bier auch weniger. Schwieriger war es halt mit dem Lecken. Er mochte es sehr gerne wenn ein bester Freund in einem freundlichen Mund verschwand. Aber die Vorstellung, er sollte so ein Weib dort ablecken. Ihn schüttelte es kurz. Ob sie so etwas von ihm verlangen würde? Und am Ende sonst gar keinen Spaß am Bummsen hätte? Freunde aus seiner Jazzerszene hatten ihm von so Emanzen erzählt, die ihn sich gar nicht mehr 'reinstecken ließen, sondern es nur noch mit Hand oder Mund besorgt haben wollten. Na gut, das waren so Emanzen, die sahen ja sowieso alle ziemlich Scheiße aus. Nichts für ihn, so oder so. Aber die Kleine da? Vor seinem inneren Auge sah er ihren entblößten Schoß, sie schob ihn ihm auffordernd entgegen und sagte "Mach mal den Mund da drauf!", ihn gruselte. Aber er hatte eine Idee. Hastig zog er das Bier leer. "Willste nen Bier?" hauchte er der unbekannten Schönen ins Ohr. "Klar, Alter, immer!" Er verfügte sich an den Getränkestand.



MITTEN IN DER LOKALEN GRUPPE


Zu spät. Scheißdreck!
Entnervt sah sie das Busheck verschwinden.
Immerhin, noch bevor er um die Biegung unten beim Sack-Markt verschwunden war. Das dritte mal in dieser Woche. Einfach ganz weg bleiben ging nicht. Frau Ogelmaus würde "diesen Umstand kritisch beurteilen", wie sie in ihrer quatschigen, gespreizten Studienrätinnensprache immer so sagte. Und wenn sie irgendetwas "kritisch beurteilte" hieß das, man hatte seinen Platz an der Sonne eingebüßt, den bei ihr oft entscheidenden Sympathiebonus verloren und unterlag einem signifikant höherem existentiellem Risiko. Das Jahr war schon wieder weit fortgeschritten, Zeugniszeit kam näher und jetzt, vorletzte Klasse vor dem Abi, und so, alles zählte, Kalkulation war alles. Dreck! Also wieder trampen. Sie seufzte vernehmlich. Der nächste Bus war viel zu spät. Eigentlich hatte sie aufs Trampen überhaupt so was von keinen Bock. Aber mußte sein. Genervt blickte sie in den Strom periodisch passierender Erzeugnisse der gehobenen Automobilproduktion. Die Kerle gingen ihr schon auf den Sack. Ungefähr ein starkes Drittel. Ja, konnte man schon so sagen. Ungefähr ein Drittel. Immerhin. Jeder Dritte von diesen Säcken bildete sich ein, wenn sie Bock auf 'nen Typen hätte würde sie sich neben die Haltestellle Orchideenweg stellen und den Daumen 'raushängen. Seltsamer Gedanke. Erstmal hatte sie ja sowieso 'nen Freund. Und wenn sie nicht mit Jochen zusammen wäre- nun, erst mal sah sie absolut nicht aus wie King Kong. Und in den Wechseljahren war sie auch nicht, hähähä! Grinsend blickte sie an sich herunter. Gut sitzende Bluejeans, teure Turnschuhe, Nikes, natürlich, eine Seidenbluse, ihre Jacke von Weihnachten, in die Schule ging sie immer etwas "salopper" wie sie es nannte, angewidert schüttelte sie ihre Locken aus der Stirn und wuchtete die Schultasche an die Bordsteinkante. BMW, BMW, Golf, Golf, Golf, Mercedes, Golf, ein Audi, noch ein Audi, wieder Mercedes, Golf, Punto, ein dicker Opel, Mensch, die Opelfahrer hielt sie ja alle für ein bißchen blöde, früher, sie war noch klein gewesen, gab es doch immer diese Witze über die alten Opels, für sie mußte da einfach was hängengeblieben sein, sie grinste, Lieblingsautomarken hatte sie keine, Datsun,, Honda, ah, war es schon so spät, holten die Hausfrauen schon die Kleinwagen aus Asien aus der Garage? Einkaufen gehen und vorher zum Friseur und so? Sie fand nur das die Leute hier bei ihnen in der Eigenheimecke hier meistens totale Scheißfarben bevorzugten, sie hatte es gerne bunt und knallig, und die Autos hier waren meist im selben Grau und Anthrazit gehalten wie die Leute, meistens so Beamtentypen und so, bei ihnen gegenüber wohnte so ein Proff von der Uni, komischer Typ, wie der immer glotzte und so! Aber der war total geizig und fuhr Golf. Hatte wohl irgendwo am Meer noch ein Haus oder so und war da, war nämlich oft nicht da, der Knabe, Frau war ja schon lange weg, und wie der aussah..... Wären die Autos bunter würden sie sie an einen Schwung Bonbons, der gerade aus der Tüte kullert erinnern. Sie grinste wieder. Jochen war gestern ein Arschloch gewesen. Sie hatten eigentlich ins Kino wollen aber er hatte lieber noch eine Extraprobe mit seinen Kumpels eingeschoben, klar, das Schulfest war schon nächste Woche, und sie mußten schon noch an ihrem Flow feilen, die Lyrics kamen noch so unsmooth, vielleicht würde doch noch mehr aus der "Totale Socken"- Crew. Hatte sie geärgert. Aber der Tag war zu schade, um sich zu ärgern, Sportsgeist war gefragt, nicht zu spät einlaufen, eine Viertelstunde war immer drin, konnte man auf den Bus schieben oder so. "Daumen im Wind". Ihre Eltern hatten noch so 'ne komische alte Platte, hieß so. Aber der Plattenspieler war ja schon ewig kaputt, sie wollte die Dingens ja immer auf den Flohmarkt tun, aber die Alten hingen 'dran, komisch, aber auch keinen neuen Plattenspieler besorgen, zu geizig, typisch! Quietsch! Der blöde Proff. Aber was. Mußte schon irre spät sein. Armbanduhr hatte sie in der Eile liegenlassen. Keine Wahl, Scheiße! "Na, junges Fräulein, wohin wollen wir denn?" Heilige Scheiße! Das konnte ja heiter werden! "Oooch,- Bus verpaßt, der alte Nazi fährt immer extra weg, wenn er einen kommen sieht...!" "Aber hören Sie mal! Sie können doch nicht einfach einen Busfahrer als Nazi bezeichnen?!" "Aber wenn der Typ doch so scheiße 'drauf is'?" Mannometer! Quasselte der Typ einen Stuß daher. Hatte wohl irgendwas an der Uni mit Geschichte zu tun, oder so. Langweilig. Ätzend. Außerdem hatte er feuchte Aussprache. Und das Hemd von der ganzen Woche an. Dieser säuerliche Käsegeruch. Sie haßte das. Zum Glück stand Jochen total auf Körperpflege. Wohl weil die HipHopper drüben in den Staaten auch so total wert auf ihr Äußeres legten. Fand sie stark. Wie toll der immer roch! Scheiße! Hatte sie sich einlullen lassen! Hatte einfach total abgeschaltet und den Typen wichtig daherquatschen lassen. Alarmiert registrierte sie eine Abweichung vom planmäßigen Weg in die Innenstadt. "Nur eine Abkürzung!" blickte der Typ sie mit so einem Schweineblick von der Seite an, schleimig grinsend. Schweinigel! Hier gab es keine Abkürzung, das war der Weg zum Stadtforst! "Ich will raus!" , "Lassen Sie mich raus!", sie begann an der Türklinke zu nesteln, instinktiv. "Holla, kleines Fräulein, der Tag ist doch wie geschaffen für ein bißchen Spaßvergnügen, meinen sie nicht? Die Schule läuft ihnen doch nicht weg! Ich tue jetzt mal etwas für ihre Bildung! Sexualkunde von einem echten Profi!" Er wieherte über seinen schwachsinnigen Witz wie ein Besessener. Der Wagen bog ab und verschwand in einem Waldweg. Mit einem Tempo, das sie dem alten Knacker nie zugetraut hatte war er herausgesprungen, hatte einen Satz um da Fahrzeug hingelegt und den Wagenschlag aufgerissen. Er packte sie brutal und zerrte sie vom Sitz hoch. Mit einigen Schlägen trieb er sie in das Unterholz. Sie fühlte sich wie einen Sack hingeschmissen. Der Typ war gleich über ihr und versuchte an ihren Klamotten zu reißen. Sie zog das Knie hoch und erwischte den Dreckskerl zwischen den Beinen. Halbdrehung, der Arsch wand sich, sie kam hoch und rannte gebückt los. Das beschissene Keuchen war gleich wieder hinter ihr. Der Proff sprang an ihren Rücken, das Gewicht hing voll an ihr. Sie ließ sich kurz sacken, täuschte ein Einknicken vor, Halbdrehung, Rolle seitwärts der Typ fiel ins Leere. Sie auf, rennen. Der Typ stolperte, Wurzeln, raffte sich wieder auf, er wieder hinter ihr. Sie in irgendwelche Büsche, der Abstand ein bißchen größer. Vor ihr eine Lichtung. Ein Vieh, sie konnte nicht erkennen was für eins, sprang aus dem dichten Pflanzenwuchs. Aufgescheucht. Vieh seitlich ab. Sie spürte Dornen, Kratzen, Schmerzen, egal. Sie taumelte auf die Lichtung, blinzelte. Keine Zeit für einen Blick zurück. Instinktiv, Haken schlagen, halb quer über die Lichtung, das dichte Gebüsch nahm sie wieder auf, abtauchen, weg. Kein Geräusch, Land gewinnen. Der Typ rannte wie ein Irrer.

Halb bewußt hielt er sich an eine Lücke zwischen den dichten Gebüschen. Das Blut klopfte in seinen Schläfen. Sein Atem ging rasselnd, die Lunge stach wie tausend Messerstiche. Er wollte jetzt ficken und er mußte diese Schlampe haben! Geblendet schloß er die Augen und taumelte auf die Lichtung.

Sakrament!
Der dämliche Bock spielte Katz und Maus mit ihm!
Ein intelligenter Bursche, kein Zweifel. Er saß jetzt seit dem ersten schwachen Licht er beginnenden Dämmerung auf dem Anstand. Ziemlich schnell hatte sich der kapitale Bock zum Äsen auf der Lichtung eingefunden. In dem Augenblick in dem er die Stirnpartie des Tiers genau im Visier hatte blickte der Bock hoch und in dem kleinen Zielfernrohr, exakt unterteilt durch das Fadenkreuz, blickten sie sich den Hauch eines Momentes in die Augen. Er drückte ab. Ein Schuß zerriß die zwitschernde Ruhe des Waldesmorgens. Das Tier schlug einen Haken und verschwand unangefochten im Unterholz. Er zitterte innerlich vor Erregung. Er hatte noch nie hier so einen kapitalen Bock gesehen. Bei Jagdausflügen in die Karpaten oder so, ja, aber er hatte den Verdacht, man mästete und hegte dort die Tiere für zahlungskräftige Touristennimrods wie ihn. Attrappen, also. Aber das jetzt! Er hatte auf die Schnelle nicht die Geweihenden zählen können. Aber zwölf waren es mindestens! Wahnsinn! Der Bock hatte sich wieder gezeigt. Und war verschwunden! Und wieder! So ging es jetzt seit Stunden. Er hätte eigentlich längst ins Büro gemußt. War aber scheißegal, jetzt. Schließlich war er der Boss. Das war wichtiger. Er hätte seinen Kopf dafür verwettet das der Bock genau wußte, um was es ging. Andererseits war das Tier klar ein Spieler, eine Kämpfernatur. Wie er. Ein klarer Chef, eben. So wie er. Das Vieh ging nicht einfach stiften. Oh, nein. Es wollte ihn vergrätzt zu seinem Wagen zurückgehen sehen, geknickt, schlechter Laune, besiegt. Das Anspringen des Motors als Kapitulation. Vielleicht ahnte es auch, das für ihn die Zeit knapp wurde. Scheiße! Er hatte eine Bewegung gesehen und 'drauf gehalten. Konnte sich gerade noch Bremsen. So eine junge Göre kam aus dem Gebüsch gesprungen, da war doch kein Weg, verdammt noch mal, rannte über die Wiese du verschwand wieder, warum hielten sich die Scheißjogger nicht an die Wege? Erkennen und reagieren mußten in eins fallen, Viehzeug, das so blöd war, ihm einfach in die Flinte zu laufen war uninteressant, der Kampf war das Ding und im Kampf mußte man schneller sein. Anderseits, wenn er hier lustig und munter minderjährige Joggerinnen abballerte hatten sie noch eine schlechtere Presse und mehr Gegenwind in der öffentlichen Meinung. Dabei- wenn er sich hier einen Braten schoß,- und er verzehrte stets und feierlich die erlegte Beute,- hatten die Viecher eine faire Chance und davor ein schönes Leben im Deutschen Wald,- das konnte ein belgisches Legebatteriehuhn oder eine Fabriksau nicht von sich sagen, da träumten die doch von, hähähä! Er riß sich zusammen. Konzentration war alles. Da! Etwas bohrte sich durchs Unterholz. Er legte seinen Vorhalt genau auf den Rand der Lichtung, die ersten Gräser. Er war es! Kein Zweifel! Die dunkle Textur eines ausgewachsenen Stück Rotwildes! Nicht die augenbeleidigende Buntheit der Jogger und anderer Breitensportler. Kein Zögern! Es galt! Das Visier lag auf der Strecke. Der Bock kam. Er drückte ab.

Mit hechelndem Atem brach er aus dem Scheißwald. Das Licht! Scheißlicht! Wo war die Schlampe? Die kriegte er!

Das Projektil trug eine handelsübliche Beladung aus Bleischrot. Sein exakt frontal-kraniales Auftreffen übertrug die massive kinetische Energie des Geschosses auf die Schädelkapsel, in diesem Fall der eigentliche Effekt des Treffers von Jagdmunition auf relativ kurze Distanz.. Die Wirkung der Schrotladung war zu vernachlässigen, nur einzelne Schrotkörner penetrierten Wangen und Schädelbasis. Der sofort nachgesetzte Schuß aus dem zweiten Flintenlauf,- vermutlich instinktiv ausgelöst, ohne bewußten Willensvorgang,- saß zentral auf dem Oberkörper und ließ die Schrotbeladung im gesamten Brustbereich wirksam werden. Die dadurch herbeigeführte Lungenpenetration und die zahlreichen Herzdurchschläge spielten jedoch für den letalen Prozeß bereits keine Rolle mehr. Die massive Wucht des ersten Aufpralls hatte das Schädeldach komplett abgerissen und dabei die Hauptmasse des Großhirns mitgerissen. Schädeldach und Großhirnsegmente trennten sich nach kurzem Flug, vermutlich eine Wirkung unterschiedlicher Massenträgheit. Nach der Separierung landete die Gewebemasse in einem Haselgebüsch der Waldgrenze. Es konnte im Zuge der späteren Untersuchung dieses Vorfalles nicht mehr aufgefunden werden und war vermutlich in den Nahrungskreislauf eingeflossen. Das Schädeldach flog gegen einen Eichenstamm und wurde in kleine bis kleinste Splitter aufgespalten, die mit großer Mühe geborgen und sichergestellt wurden.

Sie drehte sich kurz, alles schien ruhig. Automatisch verfiel sie in eine weniger panische Gangart. Keine Spur von dem alten Drecksack! Zum Glück war sie zufällig Richtung Waldrand gelaufen. Etwas oberhalb des Wagens von dem Arschloch kam sie wieder auf den Weg. Sie hielt kurz inne. Führerschein hatte sie noch nicht, aber die ersten Fahrstunden. Sie hätte das Ding schon in Gang gekriegt. Vielleicht gegen einen Baum gesetzt. Oder so. Aber Schlüssel steckte nicht mehr. Hatte der Pedant natürlich eingesteckt. Scheiße! Feuerzeug oder so war auch nicht. Nichtraucher, Gesundheitsfetischist, Arschloch. Pissen konnte sie auch nicht, war sie zu verkrampft. Ging grad nix raus. Wußte sie auch so. Spuckte sie auf den Fahrersitz. Irgendwo krachte ein Schuß. Kurz Handschuhfach und Ablagen inspiziert. Nix brauchbares. Schade. Scheiße. Sie sah ja lieblich aus! Kurzer Blick in die Rückspiegel. Na ja, irgendwo 'nen Kaffee trinken, auf dem Klo wieder herrichten. Scheiße! Das war knapp gewesen. Und jetzt noch irgendwie 'ne blöde Geschichte für Frau Ogelmaus ausdenken!



VERKEHRSPOLIZIST IN R' LYEH


Ich bin Naßrasierer....
(Helmut Kohl)


Der Drang war stark und wurde stärker. Entnervt ließ er sein Sopransaxophon sinken. Diese ständige Überei! Es ging ihm vehement auf den Zeiger! Und die blöden Neger bliesen auf 'nem alten Kamm und alle fielen um! Er hatte diese Platte von "Trane" immer wieder gehört. Mittlerweile kannte er alle Kratzer, das Rauschen, die Akkordwechsel, aber an den heiklen, alles entscheidenden Überblasungen blieb er kleben, es war wie verhext, theoretisch war ihm längst alles klar, nur, wie das kühle Horn genau den Gag hinkriegte, es blieb im Dunkeln, diese jähen Stakkati, Abstürze, Oktavierungen, Oktavsprünge, Phrasierungen mit einem so unglaublich langen Atem gespielt, daß man dachte. der alte Nigger hätte irgend-wann im frühen Pleistozäen Luft geholt, die Lippen angesetzt, und spielte heute noch im "Birdland", was er mal gehört hatte, irgendein blöder Laden in New York, eine Gegend, die sich ihm unauslöschlich als Landstrich, wo niemand Lesen&Schreiben konnte, eingeprägt hatte, das kam durch seine Eltern, Studienrätin und Studienrat. Und wie er sie gehaßt hatte, mit dieser ewigen Schnüffelei nach etwaigen Flecken in seiner verschissenen Bettwäsche...! Trotzig blies er noch ein paar Läufe in sein Horn. Für heute war es gegessen. Abfall. Selbst das Konzept des Bluesschemas kam ihm in diesem Augenblick unbegreiflich vor. Er fühlte ein dumpfes Pochen in seiner Leibesmitte. " A little hunger for a little something", wie das Billy Hollyday einmal in einem ihrer großartigen Lieder ausgedrückt hatte, gerade zog es ihm durch den Kopf. Er schmiß sein Horn in das Etui. Ein altes, leicht zerschlissenes Herrentaschentuch wurde um eine altes, betagtes Stück Draht gewickelt und hingebungsvoll, leicht agrressiv, fischte er aus seinem geliebten Sopran Rotz&Sabber. Er ekelte sich vor seinen ausgehechelten Körperflüssigkeiten, aber noch viel mehr ekelte er sich vor Rost& Korrosion, dem Wertverfall des mühsam zusammengesparten In-strumentes. Geschafft! Alle betriebsbedingten Notwendigkeiten erledigt! Immer noch fühlte er untenrum dieses Vakuum. Er schlich sich schuldbewußt an seinen altertümlichen Eisschrank und goß sich ein großzügiges Quantum Schnaps in einen ausgespülten Joghurtbecher. Wohlig brannte die Discountflüssigkeit. Sein herzallerliebster Herr Erzeuger hatte ihn immer zu Weihnachten und anderen Gelegenheiten mit einheimischen Erzeugerbränden verwöhnt, irgendwann hatte ihm ein dunkler Zusammenhang zwischen Studiendauer&Jazzmusik geschwant und daher war der Nachschub mit derlei Naturprodukten unterbunden worden. So kaufte er sich mit den bescheidenen Möglichkeiten seiner Barschaft dann&wann in der neu eröffneten Nieder-lassung der sog. Gebrüder Albrecht ein wohlfeiles Fläschchen. Er wußte sehr, sehr gut, daß die gebotene Qualität nie&nimmer mit der Familienehre kompatibel war. Nun, "in der Not ... frißt der Teufel Fliegen", hieß es doch immer, oder so ein blöder alter Scheißdreck... Er kippte einen zweiten Joghurtbecher, spuckte auf seine Halbschuhe und wienerte sie kurz glänzend. Er vertauschte seine Schlafanzughose, die er zu Hause unbeobachteterweise für gewöhnlich trug, mit einer frisch aufgebügelten Jeans. (,, Aminietenhose" wie es bei ihnen zu Hause benannt wurde, das Aufbügeln hatte er sich als Tribut angewöhnt, damit er ein derart unakademisches, ja fast proletarisch anmutendes Kleidungsstück überhaupt tragen durfte. Sein Vater, trotz seines inzwischen erreichten achten Lebensjahrzehnts, brüstete sich immer noch damit, nie in seinem Leben eine ,, Ungebildetenaminietenhose" getragen zu haben. Er brüstete sich allerdings genauso mit einer nicht weiter ausgeführten obskuren Rolle in einem Beschaffungszug der Waffen-SS und mit seinem Dasein als nicht-tot-zu-kriegender Alter Herr einer merk-würdigen Burschenschaft, deren Name sich in seinem triebverseuchten Hirn immer anzuhören pflegte wie "Vagina Teutonica Dendata" oder so ähnlich, dieses Thema war ihm immer verschlossen, da man in diesen Kreisen unter ,, Blasmusik" etwas grundsätzlich anderes verstand als er.)
Kurz, er war mit seinem Erscheinungsbild zufrieden. Er verließ seine leicht chaotische Studentenbude. Zum Glück wohnte er relativ zentral, zum " Punkt" war es nicht weit. Seine Schritte hallten hohl über das Kopfsteinpflaster. Er bog in den Münsterplatz. Süßliche Schwaden trieben unter den Arkaden des dort befindlichen historischen Gebäudes in seine empfindliche Nase. Wegen dieser Empfindlichkeit mußte er immer noch einen großen Teil seiner finanziellen Möglichkeiten in ein standes-gemäßes Aftershave investieren, die entsprechende preisgünstigere Variante der Gebrüder Albrecht konnte er einfach nicht ertragen, er hatte immerhin Erziehung. Diese verdammten Kiffer! Was sie an dieser beschämenden Betätigung wohl fanden? Ihm gruselte bei der nicht ganz bildungsbürgerlichen Erinnerung, daß einige seiner größten Helden dem Dämon Rauschgift auch nicht abgeneigt gewesen waren... ihm schuf diese Vorstellung Bauchschmerzen, wenn am Ende dies bedeuten würde, er könne üben solange er wolle, gleichgültig, es würde am Ende immer noch dieses entscheidende Quantum fehlen, daß sich nur durch verbotene Stimulan-tien erzielen ließe ... ? Ein stechender Schmerz, es ekelte ihn an, er lenkte sich mit einem sehr komplizierten Hard-Bob-Thema im Kopf ab. Der Türsteher, ein Muster an abschreckender Wirkung, war für ihn kein Problem, man kannte ihn hier schließlich. Das Gelichter unter den Arkaden hatte normalerweise nur Einlaß wenn wenig Betrieb im "Punkt" herrschte, so hielt es wohl jedes Lokal das nach den normalen Gesetzen von Raum&Zeit funktio-nierte, ohne die eisernen Gesetze von Angebot und Nachfrage hätte man sich mit diesen wandelnden Krätzeherden, immer munter bei der Vernichtung ihres kaum begonnenen Lebens, nur auf Verdacht getrennt. Egal, der Zwang Geld zu verdienen entschuldigte die vermeintliche Heuchelei als bloße Notdurft. Wenn wenig los war ließ man sogar dieses Gelichter in das Lokal, heute schien ziemlicher Andrang, da war man naturgemäß wählerischer, egal, er als aktiver Jazzer hatte immer Einlaß. Er tauchte in die verschwurbelte Parallelwelt des "Punkts". Routiniert musterte er das Angebot. "Mein Gott ...!" durchzuckte es ihn. Winterschlußverkauf... oder irgend so etwas. Auf der Tanzfläche, verbotenerweise hatte er sich nicht in das Jazzmusikbasement begeben sondern er stand mit einem ,,Jever"-Pils in der Hand am Rand des Poptreibens, ihn ekelte allerdings nach kurzer Zeit der stupide Rhythmus und von den primitiven Melodien ganz zu schweigen,- entdeckte er, wie sie zu sagen pflegten, ,,etwas Brauchbares", eine hochgewachsene, dabei doch sehr grazile junge Frau, deren üppiges, leicht gewelltes Blondhaar bis zur Rückenmitte reichte, im Augenblick warf sie es allerdings hoch in die Luft, ekstatisch, der Diskjockey hatte ein Stück von ,,Cream" aufgelegt, hatten ja 'nen ganz guten Ruf, so oder so, irritiert bemerkte er, daß das Solo des Gitaristen ihn ein wenig an ein bestimmtes Hard-Bob- Motiv erinnerte, konnte aber auch nur Einbildung sein.
Das Mädel hatte einen schwarzen Maxirock an und war ziemlich mit Mode- schmuck behängt. Sein Schritt spannte, als ihm seine Sinnesorgane meldeten, daß sie keinen BH trug. Er holte sich ein neues Bier. Der nächste Titel war etwas von ,, Canned Heat", lang-weiliger Hippiekram, er verachtete das.
Ah! Geschockt sah er wie das Mädel an den Rand der Tanzfläche hüpfte und überschwenglich ihre Arme um so einen langhaarigen Affen legte. ,,Scheiße, fest in ‚Deutscher Hand'!" dachte er sich fluchend, ein schmissiger, treffender Ausdruck aus seiner Bundeswehrzeit.
"Vielleicht... vielleicht hätte sie sowieso geleckt werden wollen...!" versuchte er sich zu trösten, und es schüttelte ihn vor Ekel. Die beiden hingen hingebungsvoll aneinander, Münder auf einander gepreßt, Augen geschlossen, versunken, Arme jeweils um den Kopf des anderen. Ihm war, als bekäme er keine Luft mehr. Er mußte für einen Augenblick hinaus. Kühle Nachtluft umfing ihn. Süßliche Schwaden aus den Zwischenräumen der historischen Pfeiler umschmeichelten seine Nase. Eine Rotte ganz junger kam heran und begehrte Einlaß. Der Türsteher hatte wohl Bedenken bei einem ganz jungen Burschen, fettige, ungepflegte, fast hinternlange Haare, eine krankenkassengestellmäßige Brille und einen impertinenten Gesichtsausdruck. Ein anderer, schon etwas älter, auch Brille, gepflegte längere Locken, jedoch am Kragen endend, führte die Verhandlungen. Schnell bekam dessen Stimme etwas weinerliches, kriecherisches. "He, das kannst Du doch nicht machen.. Du mußt uns doch 'reinlassen.... iss doch sonst nix los ...!" winselte das Subjekt. Der mit den fettigen Haaren stand dabei und grinste fertig. "Laß doch den Scheiß... komm wir gehen ins Würstlepuff!" brabbelte er. ,, Ich muß doch wissen was da los ist ... wenn ich nur wüßt, was da drin los ist ...!" zeterte die gelockte Gestalt.
"Heul ma' nich'!" wurde ihm geraten. Der Lockentyp klemmte sich zwischen zwei der historisch wertvollen Pfeiler und haderte mit seinem Schicksal. Die kleine Gruppe zog ab, immer noch wiederholte sich das ,,wenn ich nur wüßte, was da los ist!" - Mantra.
Ah! Nachtluft! Es war so geil, die kalte, klare Nachtluft 'reinzuziehen. Er steckte sich eine HB an. Es gab einen Tumult hinter seinem Rücken. Er wandte sich um. Die Türsteher schmissen einen ziemlich verlebten Typen aus dem Laden. Fand er erst mal gut. Der Typ flog auf das historisch wertvolle Münsterplatzpflaster. Er drehte sich wieder weg. Der Heini rappelte sich auf, schwankte, kam näher, heiß spürte er diesen Sachverhalt. ,,Ey, Du! ... sach' mal ... bisch Du auch einer von diesen Zeitsoldaten von der Wega?" konfrontierte man ihn mit einer eher ungewöhnlichen Frage. Heiß schüttelte es ihn durch und er fühlte wie er rot anlief.
Bevor er etwas zu erwidern vermocht hätte setzte das Individuum seinen solistischen Sermon fort, es folgte eine Phase Undechiffrierbares. Der Arsch hustete. Fand einen neuen Anlauf. ,,Hrr ... Hrr... Ich bin nur Verkehrspolizist, nur ein blöder Verkehrspolizist... Verkehrspolizist in R'lyeh, ..., der Hauptstadt des Bösen.... Hrr. Hrrr..., Chtulluh fdangn! .... Chtulluh! Fdagn! Fdagn!, Hrrr, der Stadt aus kaltem Obsidian, gabs schon bevors die blöde Erde gab,..., hrrrm, hrrrrm, Chtulluh... , hhrrrmm. .hrrrmmmm. ..!" der etwas monoton anmutende Erguß verlief sich in einem unterdrückten Brummeln.
Der mutmaßliche Verkehrspolizist sank auf die Knie und würgte etwas Mageninhalt auf das Pflaster. Er wandte sich angeekelt ab. Mit der Stirn klatschte der Jünger der Alten Götter auf den klammen Stein und nahm ein kurzes Nickerchen in dem frischen, jungen Blut das aus einer üppigen Platzwunde hervorbrach. Er hörte schon wieder Gekeife. Ein Paar zankte sich. "Du! Du Scheißarsch!" vernahm er eine enragierte Frauenstimme. "Du... Du bist doch bloß 'ne blöde Votze!" keifte so etwas wie ein junger Mann. Interessiert registrierte er den unliebsamen Langhaarigen vom Tanzflächenrand vorhin. "So laß ich mich nicht nennen! Scheißkerl! Müllficker!" kam prompt eine geschliffen formulierte Replik. "Kack Dich doch in die Hölle, Scheißsack!!!" wurde nachgesetzt. Der junge Mann blieb stumm. Kurz darauf hörte man es aus dem Hintergrund krampfartig würgen. Die Suada wurde erneut aufgenommen, nur diesmal noch erheblich vernuschelter. Ihn lüpfte es fast auch. Alarmiert bemerkte er die maxiberockte Frau von vorhin. Kopfschüttelnd stapfte sie zwischen den historischen Pfeilern hin und her. Er überwand eine aufkeimende Angst und bot ihr eine von seinen HBs an. Sie hielt kurz inne, fixierte ihn und verlangte barsch nach Feuer. Er konnte nichts sagen. Sie schaute ihn durchdringend an, zog entschlossen an der Kippe, blickte kurz auf den strunzdunklen Münsterplatz, musterte ihn von oben bis unten, zischte etwas unverständliches, konzentrierte sich, wandte sich einen Augenblick ab, zog nachdenklich an der Zigarette, straffte sich, schließlich: "Zu Dir oder zu mir, Alter?"



AUS POESIE UND LEBEN



Mutantenhaiku NR. # 001


Aufgeklärt wurde ich durch das Buch
,, Woher kommen die kleinen Buben und Mädchen? " von Dr. Kurt Seelenmayer/München
Vielleicht ist Ole Seelenmeyer,
der Vorsitzende des Deutschen Rockmusikerverbandes,
sein eingeborener Sohn